Unter Protest: Polizei räumt besetztes Haus im Leipziger Osten

Die Polizei hat am späten Montagnachmittag in Neustadt-Neuschönefeld ein besetztes Haus geräumt. Zahlreiche Sympathisanten hatten sich dort zum Protest versammelt. Die Lage blieb jedoch friedlich.

Die Polizei Leipzig hat am Montagnachmittag ein seit Samstag besetztes Haus in der Hermann-Liebmann-Straße 108 beräumt. „Es befinden sich keine Personen im Gebäude“, schrieb die Polizei am frühen Abend auf der vormals als Twitter bekannten Social Media-Plattform X. Das leerstehende Haus war von Aktivisten dafür vorgesehen, ein neues „soziales Zentrum“ unter dem Titel „Helium“ – als Abkürzung für Hermann Liebmann – zu etablieren.

Am Nachmittag habe die Polizei zunächst dazu aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Als niemand diesem Aufruf nachgekommen sei, begannen die Beamtinnen und Beamten mit der Durchsuchung des Gebäudes. Dabei seien allerdings keine Personen aufgefunden wurden, teilte die Behörde auf X mit. „Der Verantwortliche des Objektes veranlasst nun eigenständig Sicherungsmaßnahmen,“ hieß es dort. Daraufhin wurden die Transparente von der Fassade entfernt.

Während des Einsatzes hatten sich etwa 150 Unterstützerinnen und Unterstützer zum solidarischen Protest vor dem Gebäude zusammengefunden. Nach Informationen eines Polizeisprechers vor Ort habe es sich dabei um zwei separat gemeldete Versammlungen gehandelt. Die Polizei regelte den Verkehr vor Ort und beobachtet das Geschehen, hieß es auf LVZ-Nachfrage. Beide Kundgebungen seien friedlich verlaufen, hieß es am Abend. Dennoch sei es geplant, auch in der Nacht noch das Gelände abzusichern. Für Montagabend haben einige Gruppen Proteste in Leipzig-Grünau angekündigt.

Im Zusammenhang mit der Hausbesetzung ermittle die Polizei unter anderem wegen Hausfriedensbruch. Generell seien nur wenige Straftaten festgestellt worden, teilte die Behörde mit.

Leipziger Politiker kritisieren Leerstand von Gebäuden

Die Besetzung und darauf folgende Rämung stieß bei Leipzigerinnen und Leipzigern auf gemischte Reaktionen. Während sich einige Social Media-Nutzerinnen und Nutzer verständnislos für die Besetzung zeigten, betonte die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel bereits am Sonntag, dass die Hausbesetzung den „Finger in die Wunde“ lege. „Es braucht Räume für nichtkommerzielle Nutzungen und bezahlbares Wohnen!“, schrieb sie in einem Beitrag auf X.

Auch Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek kritisierte den Leerstand und verwies auf weitere Räumungen in der Vergangenheit. „In den letzten Jahren wurde die Ludwigstraße 71, die Tiefe Straße 2, und der Stötteritzer Bahnhof geräumt. Kein einziges dieser Häuser wurde inzwischen instand gesetzt. Sie stehen leer, verfallen, während Räume fehlen,“ merkte er auf X an. „Wenn es legal ist, bewohnbare Häuser jahrzehntelang leerstehen zu lassen und damit zu spekulieren, während Menschen auf der Straße leben und soziale Räume fehlen, weil Kapital wichtiger ist als Wohnen, läuft etwas schief“, so Kasek.


Der LVZ-Artikel behauptete noch am Anfang, dass die Polizei nicht räumen würde, wurde dann im laufe des Tages einfach gelöscht:

25.09.2023, 13:50 Uhr

Ehemaliges Bahngelände in Leipzig-Ost besetzt: Aktivisten hoffen auf langfristige Nutzung

Am Samstag wurde im Leipziger Osten ein leerstehendes Gebäude besetzt. Die Besetzerinnen und Besetzer planen offenbar eine Art Soziokulturzentrum.

Am Samstag haben sich mehrere Personen im Leipziger Osten Zutritt zu einem bis dato leerstehenden Gebäude verschafft. Wie die Gruppe mitteilte, betrachten sie die Immobilie auf einem ehemaligen Bahngelände an der Hermann-Liebmann-Straße 108 (Neustadt-Neuschönefeld) nun als besetzt.

Die Gruppe machte ihr Vorgehen unter anderem in sozialen Netzwerken publik. Ein neues „soziales Zentrum“ unter dem Titel „Helium“ – als Abkürzung für Hermann Liebmann – soll in dem leerstehenden Gebäudkomplex entstehen, heißt es dort. In den Postings ist bereits von einem geregelten Tagesablauf die Rede: Der Montag sollte um 9.30 Uhr mit einem gemeinsen Mitbringfrühstück beginnen, danach war Yoga angedacht.

Bunte Ballons, aber kein Helium am „Helium“

Zur Mittagszeit sitzen etwa zwanzig Personen auf der Bordsteinkante gegenüber. Eine als Unterstützung angemeldete Kundgebung ist gerade vorbei, die am Eingang zum „Helium“ angebrachte Luftballonkette (ohne Helium) hat seit Samstag schon etwas Luft eingebüst. Darunter haben die Besetzerinnen und Besetzer unter freiem Himmel ein kleines Wohnzimmer eingerichtet – mit Couch-Ecke, Topfpflanze und wehender Antifa-Flagge.

Von hier aus ist zu erahnen, wie groß das Gebiet ist, das die Gruppe für alle beanspruchen möchte. Das Haus zähle 30 Zimmer, viele davon als Veranstaltungsräume nutzbar, erzählen Mila und Casimir. Die Möglichkeiten seien vielseitig. Und: „Das Helium ist in besserem Zustand als viele der Miethäuser hier im Viertel, die nicht leer stehen“, sagt Mila. „Wir rechnen damit, lange hier zu bleiben“, so Casimir und schiebt lachend hinterher: „Am Besten für die nächsten 20 Jahre“.

Behörden stehen in Kontakt mit Eigentümer

Die Immobilie gehörte einst zum ehemaligen Bahnbetriebswerk Süd, das vor gut zehn Jahren bei einem Brand teilweise zerstört worden war. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn erklärte am Montag gegenüber der LVZ, dass das Gelände dann 2019 verkauft wurde. An wen, bleibt unklar. Auch die Besetzer wissen es nicht. „Aber wir wünschen uns, dass sie sich bei uns melden“, sagen die beiden. Man will verhandeln, mit den Eigentümern und der Stadt.

Die Polizei blieb am Montag noch im Hintergrund, Beamte sicherten vorerst nur in Richtung der Bahngleise ab. Wie Polizeisprecher Franz Anton erklärte, stehen die Behörden auch in Kontakt mit dem Eigentümer des Gebäudes. Welche Absichten dieser nun verfolge, dazu machte Anton keine Angaben.

Hausbesetzer an anderer Stelle zu Geldstrafen verurteilt

Die Besetzerinnen und Besetzer sind offenbar auch schon in der Vergangenheit mit ähnlichen Aktion in Leipzig aufgetreten. Sie verbreiten ihre Forderungen über das Portal „Leipzig besetzen“. Jenes wurde bereits vor drei Jahren vewendet, als ein Haus in der nahen Ludwigstraße auf ähnliche Art in Anspruch genommen wurde.

Die aktuelle Aktion soll nun eine von der Gruppe wahrgenommene Lücke schließen und gleichzeitig Kritik an „der Kommerzialisierung“ üben – „unsere Nachbarschaft wird zur Konsummeile“, heißt es weiter auf dem Portal. Mila und Casimir sprechen von der Bedeutung, die soziokulturellen Treffs im Leipziger Osten haben. Zunehmend würden diese aber verdrängt – wie das Radsfatz, Trauttmanns, das Ery.

Im Blog beziehen sich die Autorinnen und Autoren auch direkt auf die Besetzung der Ludwigstraße 71 vor drei Jahren: Die neue Aktion schließe sich nun nicht nur örtlich sondern auch inhaltlich an die Forderungen von 2020 an. Damals wurde das in Beschlag genommene Gebäude etwa zwei Wochen später von der Polizei geräumt. Zwei der Hausbesetzer wurden dann im November 2022 zu Geldstrafen verurteilt.